Weiterhin gilt der in der 1. Auflage formulierte Anspruch, bei der Kommentierung nicht nur die verfassungsrechtliche, sondern auch die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zu berücksichtigen. Inhaltlich gibt das Werk die wichtigen aktuellen Diskussionen (Stand: Mai 2014) wieder. Kommentiert werden das NSA-Überwachungsprogramm und die Antiterrordatei ebenso wie wichtige Neuerungen im Familienrecht wie die Sukzessivadoption durch Lebenspartner, das Ehegattensplitting bei Lebenspartnerschaft und die Umgangsrechte des biologischen Vaters. Bereits enthalten sind die Maßnahmen zur Eurorettung und zur Energiewende, zur Föderalismusreform und der ab dem Haushaltsjahr 2016 geltenden „Schuldenbremse“ in Art. 109 und 115 GG.
Dezidiert vertritt der Kommentar dabei auch eigene Meinungen: Instruktiv kritisiert Hennecke (Art. 143 d Rn. 17) die Diskussion in Niedersachsen, das aus einer Zusammenschau von Landesverfassung und Grundgesetz höhere Neuverschuldungsgrenzen ableiten will. Mit guten Argumenten wertet Sannwald (Art. 21 Rn. 65) Sperrklauseln beim Wahlrecht nicht als eine verbotene Differenzierung sondern als ergänzende Regelungen zum Verhältniswahlrecht – entgegen dem BVerfG (NVwZ 2014, 439), das auch eine 3 %-Sperrklausel bei den Wahlen zum Europäischen Parlament für verfassungswidrig gehalten hat. Einen Schwerpunkt der Neubearbeitung bilden die Kommentierungen zum Fiskalpakt und europäischen Stabilitätsmechanismus ESM. Da das BVerfG (NVwZ 2014, 501) das umstrittene Anleihenankaufprogramm (OMT) der Europäischen Zentralbank nicht vom Mandat der EZB gedeckt sieht, hat es – ein „verfassungsrechtliches Novum“ (Hofmann) – diese Frage dem EuGH vorgelegt, da die EZB als EU-Organ nur der Rechtsprechung des EuGH unterliegt. Hofmann interpretiert dies überzeugend und mit Blick auf die noch ausstehende Entscheidung desEuGH als eine „Methode der Verantwortungszuweisung“ des BVerfG an den EuGH, mit dem Ziel, diesem „Leitplanken“ zur Auslegung des Europarechts und des OMT-Programmes vorzuschlagen (Hofmann Art. 14 Rn. 9). Ganz offenbar verliert damit das Verfassungsrecht seine Determinationskraft über wesentliche Teile der politischen Gestaltung zu Lasten der europäischen Politik (Hofmann, Art. 20 Rn. 55).
Dringend überarbeitungsbedürftig ist leider das Sachregister, das allzu viele Stichworte (u.a. Eurorettung, Flughafenverbot, Energiewende, Anleihenankaufprogramm (OMT), ZDF-Staatsvertrag) überhaupt nicht nennt. Die mitgelieferte jBook-Funktion ermöglicht neben einer online-Volltextsuche den Zugriff auf alle verlinkten Gesetze und Entscheidungen in der Jurion-Datenbank, sowie einige der zitierten Aufsätze. Dieser noch ausbaufähige Ansatz zeigt, dass sich eBook und traditionelles Buch grundsätzlich gut ergänzen können. Leider ist dieses System noch nicht ausgereift und der telefonische Jurion-Support katastrophal schlecht organisiert.
Gegenüber anderen Kommentaren macht das Konzept eines dreifachen Ansatzes aus Wissenschaft, Rechtsprechung und Staatspraxis und der damit einhergehende Einbezug einfacher Gesetze und Verwaltungsvereinbarungen zum Grundgesetz, das Ferdinand Kirchhof bereits 2009 lobend hervorhob, den Schmidt-Bleibtreu besonders attraktiv und lesenswert. Nicht zuletzt die Akribie und wissenschaftliche Gründlichkeit der Autoren charakterisieren diesen Handkommentar als uneingeschränkt empfehlenswert.
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Die Rezension wurde der NVwZ – Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2015, Heft 21, entnommen.
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