Das hier vorzustellende Werk (Bund-Verlag) zählt zu den Klassikern der Kommentare zum Tarifvertragsgesetz. Es ist nunmehr in der fünften Auflage erschienen – ein Dauerläufer. Der nicht nur als Herausgeber und Mitautor hoch geschätzte Zachert wurde im Jahr 2009 mitten aus dem Leben gerissen; die von ihm bis dahin verfassten Passagen weisen seinen Namen und den des Autors aus, der seine Ausführungen weitergeführt hat.
Seinem Untertitel „Kommentar für die Praxis“ wird der Kommentar nicht nur mehr als gerecht, er überschreitet dieses Ziel erheblich, er ist auch ein wissenschaftlich-systematischer Kommentar. Die tatsächlichen Entwicklungen der Praxis werden ebenso analysierend und bewertend aufgenommen wie die Entwicklungen in Wissenschaft und Rechtsprechung.
Die Erläuterungen sind sinnvoll und den Leser gut führend durchweg in Kapitel, Unterkapitel und Abschnitte geordnet, denen wiederum ausführliche nähere Gliederungen voran gestellt sind. Dies und das gut gestaffelte Stichwortverzeichnis am Ende des Werkes erleichtern das Auffinden der gesuchten Problematik erheblich.
Das Werk beginnt mit einem äußerst lesenswerter und detaillierten Teil „Grundlagen“ (S. 49 -319). Er umfasst ua die Geschichte des Tarifvertrags, die verfassungsrechtlichen Grundlagen einschließlich der durch das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gesetzten verfassungsrechtlichen „Innenschranken“, das Verhältnis von Tarifvertrag zu anderen höherrangigen, aber auch gleichrangigen Rechtsquellen und die Auslegung von Tarifverträgen einschließlich dazu gehörende Verfahrensfragen.
Daran schließt der Teil „Kommentar“ an. Unter § 1 TVG (S. 321 – 798) werden kundig und differenziert nicht nur die kommentarüblichen Gesichtspunkte, darunter ausführlich die Zusammenhänge mit tarifdispositivem Recht, zB § 7 ArbZG und die Friedenspflicht, sondern auch das Thema „Kollektivvereinbarungen ohne Tarifvertragscharakter“ behandelt.
Die Erläuterungen unter § 2 TVG beleuchten alle in Betracht kommenden Gesichtspunkte in außerordentlicher Tiefe (S. 799 – 930).
In den ausführlichen und kenntnisreichen Erläuterungen zu § 3 TVG (S. 930 – 1076) werden die Tarifnormen über „betriebliche Fragen“ mit denen über „betriebsverfassungsrechtliche Fragen“ dogmatisch gleichgesetzt (Rn. 25). Dem vermag der Rezensent nicht zu folgen. Gemeinsam ist nur der Umstand, dass die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers für die zwingende und unmittelbare Geltung solcher Normen genügt. Doch bleiben Unterschiede. Für betriebliche Normen kommt es nicht darauf an, dass ein Betriebsrat besteht oder dessen Wahl vorbereitet werden soll, für betriebsverfassungsrechtliche Normen muss dies indessen vorausgesetzt werden. Dieser Unterschied erfordert, zwischen beiden Normarten zu unterscheiden.
Auch § 4 TVG ist unter allen erdenklichen Gesichtspunkten kundig und tierschürfend kommentiert (S. 1076 – 1427). An unerwarteter Stelle, nämlich nicht im Anschluss an die Erläuterung aller materiell-rechtlichen Gesichtspunkte des § 4 TVG, sondern nach der Kommentierung nur des § 4 I TVG einschließlich der betrieblichen Tarifeinheit, findet der Leser eine umfangreiche Kommentierung zur tatsächlichen Durchsetzung tarifvertraglicher Ansprüche (Rn. 236 – 285). Den (leidigen?) Ausschlussfristen sind mehr als 100 Randnummern (Rn. 607-710) gewidmet, darunter eine umfassende alphabetische Rechtsprechungsübersicht.
Die Kommentierung des § 5 TVG (Rechtsstand vor dem Tarifautonomiestärkungsgesetz vom 11.8.2014) ist ebenfalls bestens gelungen (S. 1427 – 1471). Erfreulich sind die – bescheiden als Anhänge zu § 5 bezeichneten – veritablen Kommentierungen des AEntG (S. 1471 – 1584), der Tariftreuegesetze (S. 1584 – 1597), des § 3 a AÜG (S. 1598 – 1606) und des – inzwischen durch das Tarifautonomiestärkungsgesetz aufgehobenen (G. v. 11.8.2014, BGBl. I 1348) – MiArbG (S. 1606 – 1630).
Die § 6 und 7 TVG sind angemessen kurz kommentiert. Die Erläuterung zu § 8 TVG einschließlich der strittigen Frage nach Schadenersatzpflicht wegen Verletzung der Pflicht zur Auslage der für den Betrieb maßgebenden Tarifverträge sind angemessen knapp gehalten, ebenso die zu den § 9 bis 12, 12 b und 13 TVG. § 12 a TVG – Arbeitnehmerähnliche Personen – wird etwas ausführlicher kommentiert (S. 1692 – 1719). Leider wird auch dabei der unscharfe und gelegentlich zu Irrtümern führende Begriff „Status…“ verwendet. Die Arbeitnehmerähnlichkeit einer Person ist ebenso wenig ein „Status“ wie es einen Status „Arbeitnehmer“ gibt; beides sind keine Eigenschaften einer Person, sondern bezeichnen nur den Rechtscharakter des Vertragsverhältnisses, in welchem die Person ihre Tätigkeit erbringt.
Fazit: Ein großer Kommentar mit bestem Nutzen. Ihm ist nach wie vor Verbreitung und Beachtung in Praxis und Wissenschaft zu wünschen.
Die Rezension wurde der NZA – Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 2015, Heft 3, entnommen.
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